Donnerstag, 5. Juni 2014

Über Protest, Moral und demokratische Kultur



Im Folgenden möchte ich auf ein Problem öffentlicher Diskussionen eingehen, dass sich vor allem in demokratisch verfassten politischen Systemen stellt. Öffentlichkeit ist, wie immer wieder betont wird, ein konstitutiver Bestandteil von demokratisch verfassten politischen Systemen. Inzwischen spricht man auch häufig von Transparenz. Öffentlichkeit und Transparenz werden heute gerne als Werte an sich verkauft. Unklar bleibt aber zumeist in welcher Beziehung Öffentlichkeit und Demokratie eigentlich zueinander stehen. Zuletzt zeigte sich dies in der Diskussion um die NSA-Überwachung. Die Überwachung wurde als Gefährdung der Demokratie betrachtet. Dabei parasitiert die NSA nur an einem technischen Verbreitungsmedium, dass es überhaupt erst ermöglicht eine globale Öffentlichkeit herzustellen. So fragte man sich bei vielen NSA-kritischen Beiträgen, denen als Lösung nicht viel mehr einfiel als das Internet selbst zu verteufeln, was die Aufregung eigentlich soll? Öffentlichkeit stellt Beobachtbarkeit von Themen und Personen her und der Beobachter weiß wer wofür steht. Man könnte also vermuten, dass das Internet in dieser Hinsicht die größte technische Errungenschaft zur Demokratisierung der Weltgesellschaft seit dem Buchdruck ist. Nicht ohne Grund wollen Machthaber in Diktaturen oder gelenkten Demokratien Plattformen wie youtube, Twitter oder Facebook verbieten. Sie gefährden den mühsam gepflegten Anschein der Alternativlosigkeit bzw. der Zwangsläufigkeit des eigenen politischen Programms. Das Internet als technisches Verbreitungsmedium erzeugt dagegen Kontingenz und fördert dadurch den für Demokratien notwendigen Wettkampf der Ideen. Dieser öffentlich inszenierte Wettkampf der Ideen ersetzt den gewaltsamen Kampf mit Waffen und ermöglicht so einen gewaltlosen Wechsel der Regierung. Autokraten sind jedoch in der Illusion der eigenen Alternativlosigkeit gefangen, in der ein Wechsel der Regierung nicht vorgesehen ist. Entsprechend bedrohlich muss daher ein Verbreitungsmedium, wie das Internet wirken. Es stellt den unkontrollierten Informationsumschlag [1] sicher und es können Alternativen entdeckt werden, die Autokraten konsequenterweise als Bedrohung ihrer Machtposition wahrnehmen müssen.