Donnerstag, 20. November 2014

Soziologen als Mythenjäger


»Wenn man verstehen will, worum es in der Soziologie geht, dann muß man in der Lage sein, in Gedanken sich selbst gegenüberzutreten und seiner selbst als eines Menschen unter anderen gewahr zu werden. Denn die Soziologie beschäftigt sich mit den Problemen der „Gesellschaft“, und zur Gesellschaft gehört auch jeder, der über die Gesellschaft nachdenkt und sie erforscht.« 
Norbert Elias*


Die Fähigkeit, über die Soziologen nach Elias verfügen sollten, ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Sich selbst als jemand anderes gegenüber zu treten, bedeutet die Voraussetzung zu schaffen, um gewahr zu werden, welchen Eindruck das eigene Verhalten auf andere Menschen macht. Leider ist diese Fähigkeit unter Soziologen, speziell denen, die sich einer Kritischen Soziologie – egal welcher Schule – zurechnen, nicht sehr weit verbreitet. Kritische Theorien bilden zumeist eine gefährliche Kombination von Modellen, die Elias mythisch-magisch und naturwissenschaftlich bezeichnet (vgl. 2014 [1970], S. 16f.). Das mythisch-magische Modell zeichnet sich durch eine naiv-egozentrische Beobachtungsweise aus, das naturwissenschaftlich-mechanistische Modell durch die Beobachtung von Kausalbeziehungen. Beiden Beobachtungsformen ist eine zu starke Reduktion von sozialen, biologischen, chemischen oder physikalischen Sachverhalten auf unidirektionale Wirkungszusammenhänge gemein - im sozialen Bereich durch Reduktion auf Subjekt-Objekt-Beziehungen, in der Natur durch mechanische Ursache-Wirkungsbeziehungen.

Samstag, 8. November 2014

Dass es soziale Systeme gibt, muss sich zeigen


"6.36 Wenn es ein Kausalitätsgesetz gäbe, so könnte es lauten: »Es gibt Naturgesetze«.                              
Aber freilich kann man das nicht sagen: es zeigt sich." Ludwig Wittgenstein

Dass man einen Satz wie »Es gibt Naturgesetze« nicht sagen kann, meint nur, dass dieser Satz nicht sinnvoll ist. Trotzdem kann er gesagt werden. Er besagt in dieser Form bloß nichts. Die Aufmerksamkeit wird durch diesen Satz auf die schlichte Feststellung gelenkt, dass es Naturgesetze gibt: es gibt Naturgesetze, Naturgesetze gibt es. Weder wird angegeben, was Naturgesetze sind noch wie man nachvollziehbar erkennen kann, dass es sie gibt. Diesen Satz kann man nur bedingungslos akzeptieren oder ablehnen. Bei diesem Satz handelt es sich um eine Tautologie. Eine Tautologie ist eine besondere Form der Paradoxie, denn es ist ein Satz der keinen Unterschied markiert. Es fehlt der Kontext bzw. der Rahmen vor dem dieser Satz einen Sinn macht. Also muss diese Paradoxie entfaltet werden. D. h. es müssen Unterschiede in Form einer Sprache eingeführt werden, die zeigen, dass es Naturgesetze gibt. Der Satz »Es gibt Naturgesetze« würde dann den Kontext für die Entwicklung dieser Sprache bilden.