Eine kritisch-aggressive Haltung ohne reale
Substanz eines Gegners schlägt fast automatisch in einen Herrschaftsanspruch
um, der von der Illusion und der künstlichen Erzeugung der alten Gegnerschaft
lebt.
Helmut
Schelsky
Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst des Nationalsozialismus. Alle guten Mächte in Deutschland haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet.
Diesen Eindruck
kann man zumindest bekommen, wenn man sich die Diskussion über die
Flüchtlingskrise und die Vorfälle vor dem Kölner Dom in der Silvesternacht
anschaut. Sie erinnert an eine Geisterjagd, denn es ging dabei nicht um
Flüchtlinge, sondern um Deutschland. Demnach gilt es, ankommende Flüchtlinge vor
dem »dunklen« Deutschland zu beschützen. Dieses »dunkle« Deutschland steht für Rassismus und Gewalttätigkeit. Das ist es auch, was heute im Wesentlichen mit dem
Nationalsozialismus assoziiert wird.
Ideologische Feinheiten spielen schon längst keine Rolle mehr. Alles, was auch
nur im Ansatz rassistisch, nationalistisch, autoritär oder gewaltbereit erscheint, wird heute in
Deutschland sofort in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt. Ob die
Befürchtung berechtigt ist oder nicht, spielt keine Rolle. Was zählt, ist das Gefühl,
dass es so sein könnte. Es herrscht ein gefühliger Generalverdacht.