»Wenn man verstehen will, worum es in der Soziologie geht, dann muß man in der Lage sein, in Gedanken sich selbst gegenüberzutreten und seiner selbst als eines Menschen unter anderen gewahr zu werden. Denn die Soziologie beschäftigt sich mit den Problemen der „Gesellschaft“, und zur Gesellschaft gehört auch jeder, der über die Gesellschaft nachdenkt und sie erforscht.«
Norbert Elias*
Die Fähigkeit, über die
Soziologen nach Elias verfügen sollten, ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Sich selbst als jemand
anderes gegenüber zu treten, bedeutet die Voraussetzung zu schaffen, um gewahr
zu werden, welchen Eindruck das eigene Verhalten auf andere Menschen macht. Leider
ist diese Fähigkeit unter Soziologen, speziell denen, die sich einer Kritischen
Soziologie – egal welcher Schule – zurechnen, nicht sehr weit verbreitet.
Kritische Theorien bilden zumeist eine gefährliche Kombination von Modellen,
die Elias mythisch-magisch und naturwissenschaftlich bezeichnet
(vgl. 2014 [1970], S. 16f.). Das mythisch-magische Modell zeichnet sich durch
eine naiv-egozentrische Beobachtungsweise aus, das naturwissenschaftlich-mechanistische
Modell durch die Beobachtung von Kausalbeziehungen. Beiden Beobachtungsformen
ist eine zu starke Reduktion von sozialen, biologischen, chemischen oder
physikalischen Sachverhalten auf unidirektionale Wirkungszusammenhänge gemein -
im sozialen Bereich durch Reduktion auf Subjekt-Objekt-Beziehungen, in der
Natur durch mechanische Ursache-Wirkungsbeziehungen.