Für die Ad-Hoc-Gruppe des Soziologiemagazins mit dem Titel „Krise der Kommunikation: Wo
bleibt der soziologische Diskurs?“ , welche im Rahmen des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2014 stattfinden wird, habe ich folgenden Beitragsvorschlag eingereicht:
Vor 30 Jahren diagnostizierte
Niklas Luhmann, dass die Soziologie in einer Theoriekrise steckt. Heute besteht
nicht einmal Konsens über ein gemeinsames Bezugsproblem oder eine
gesellschaftliche Funktion der Soziologie. Dies deutet darauf hin, dass sich
die Soziologie gegenwärtig nicht nur in einer Theoriekrise befindet, sondern in
einer Identitätskrise. Allgemein akzeptiert ist heute lediglich, dass es die
Aufgabe der Soziologie sei, die Gesellschaft zu beschreiben und zu verändern.
Der Vortrag wird die These entfalten, dass diese Selbstbeschreibungsformel
selbst Teil des gegenwärtigen Problems der Soziologie ist, denn sie formuliert
eine Doppelfunktion – nämlich Analyse und Veränderung. Es stellt sich jedoch
die Frage, ob die Soziologie diese Doppelfunktion in der modernen funktional
differenzierten Gesellschaft überhaupt erfüllen kann?
Ausgehend von Luhmanns Bestimmung der
verschiedenen Bezugsprobleme der einzelnen Funktionssysteme der modernen
Gesellschaft soll gezeigt werden, dass Analyse und Veränderung Lösungen für
zwei unterschiedliche soziale Probleme sind, die heute von unterschiedlichen
Funktionssystemen gelöst werden. Während die Analyse die Aufgabe des
Wissenschaftssystems ist, ist Veränderung die Aufgabe verschiedener Systeme
sozialer Hilfe. Da die beiden Probleme nicht auf einander reduziert werden
können, muss sich die Soziologie entscheiden, was sie sein möchte – ein
Teilsystem der Wissenschaft oder ein Teilsystem sozialer Hilfe. Beides ist
nicht möglich. Vielmehr würde ein soziales System sein eigenes Operieren und
seine Weiterentwicklung blockieren, wenn es versuchen würde diese beiden
Probleme gleichzeitig zu lösen.
Gleichwohl wird bis heute auf die
oben benannte Selbstbeschreibungsformel rekurriert. Somit wird bis heute der
Anspruch kommuniziert, dass die Soziologie beides könne. Das weckt auch falsche
Erwartungen bei einem soziologisch interessierten Publikum. Die Soziologie hat
sich damit selbst in einen double bind manövriert, denn sie hat sich
selbst die Aufgabe gestellt widersprüchliche Erwartungen zu erfüllen. Dies
erzeugt auch eine gravierende Verwirrung beim Publikum, welches damit vor die
Wahl gestellt wird die Selbstbeschreibung der Soziologie zu akzeptieren und
damit auch den Widerspruch zwischen Analyse und Veränderung oder gerade
aufgrund der widersprüchlichen Selbstdarstellung dieses Kommunikationsangebot
abzulehnen. Aufgrund des vielbeklagten öffentlichen Relevanzverlustes der
Soziologie scheint sich das Publikum offenbar für die zweite Möglichkeit zu
entscheiden.
Unter Bezugnahme auf die Theorien
Niklas Luhmanns, Gregory Batesons und Erving Goffmans soll die Explikation des double
binds der Soziologie dazu dienen eine Erklärung für die aktuelle Krise und
den Relevanzverlust der Soziologie zu entwickeln. Je nachdem wieviel
Vortragszeit eingeplant ist, kann dann auf Folgeprobleme dieser paradoxen
Selbstbeschreibung eingegangen werden und/oder auf Lösungen, wie dieser double
bind aufgelöst und die Soziologie als Wissenschaft rehabilitiert werden
kann.
******
Das Paper speiste sich aus meinen
zwei kürzlich veröffentlichten Texten „Soziologie
zwischen Wissenschaft als Kunst und Flucht in die Kunst“ und „Die
Beobachtung der Beobachtung 3.2 – Die Multifunktionalität der Kommunikation als
Problem soziologischer Theoriebildung“. Im Vortrag werde ich das gesellschaftstheoretische
Argument vorstellen, das beiden Texten zugrunde liegt.
[Update 1]
Im Zuge der Vorbereitung auf die Ad-Hoc-Gruppe hat das Soziologiemagazin einführende Texte der Referenten veröffentlicht. Hier ist der Link zu meinem Text "Das Image der Soziologie und die Spirale wechselseitiger Nicht-Beachtung".
[Update 2]
Hier ist der Link zum Programm der Ad-Hoc-Gruppe. Sie wird im Raum P13 im Hauptgebäude der Uni Trier stattfinden.
[Update 3]
Das Vortragsmanuskript kann nun hier nachgelesen werden.
[Update 4]
[Update 1]
Im Zuge der Vorbereitung auf die Ad-Hoc-Gruppe hat das Soziologiemagazin einführende Texte der Referenten veröffentlicht. Hier ist der Link zu meinem Text "Das Image der Soziologie und die Spirale wechselseitiger Nicht-Beachtung".
[Update 2]
Hier ist der Link zum Programm der Ad-Hoc-Gruppe. Sie wird im Raum P13 im Hauptgebäude der Uni Trier stattfinden.
[Update 3]
Das Vortragsmanuskript kann nun hier nachgelesen werden.
[Update 4]
Der Mitschnitt des Vortrags kann hier angesehen werden.
[Update 5]
Link zur zitierfähigen Version im Tagungsband zum 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
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Link zur zitierfähigen Version im Tagungsband zum 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
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