Vor einiger Zeit war bei
FAZ-Online ein Artikel
über eine etwas kuriose Stellenausschreibung des Bundeskanzleramts zu
lesen. Das Kanzleramt suchte drei Referenten mit vertieften Kenntnissen über
Psychologie, Anthropologie und Verhaltensökonomik für den Stab Politische
Planung, Grundsatzfragen und Sonderaufgaben. Die einen werden in dieser Stellenausschreibung vermutlich einen Beleg für die Unfähigkeit der Regierung
sehen. Die anderen werden mit dieser Stellenausschreibung wahrscheinlich ihren
Verdacht bestätigt sehen, dass die Regierung die Bürger gezielt manipulieren
will. Die Methode zur Beeinflussung der Bürger, für die Experten gesucht werden, heißt „Nudging“,
zu Deutsch „Stubsen“, und funktioniert folgendermaßen. Im Artikel wird das
Beispiel säumiger Steuerzahler genannt. Lässt man den säumigen Steuerzahler
wissen, wie viele seiner Nachbarn bereits Steuern gezahlt haben, kann diese
Information dazu führen, dass auch er seine Steuern zahlt. Experimente zeigen,
dass durch diese Methode die Steuermoral in bestimmten Regionen gesteigert
werden konnte.
Einen Tag später berichtete
Sascha Lobo in seiner wöchentlichen Kolumne über ein ähnliches Experiment,
um die Wahlbeteiligung zu steigern. Facebook präsentierte Usern zur Wahl wie
viele ihrer Facebook-Freunde bereits gewählt haben mit dem Aufruf dies
ebenfalls zu tun. Lobo bezeichnete es als „Digital Gerrymandering“. Gerrymandering
bezeichnete ursprünglich eine bestimmte Art Wahlbezirke zusammenzustellen. Die
Ähnlichkeit von Digital Gerrymandering und Nudging ist jedoch nicht zu
übersehen. Und auch die Manipulationsmöglichkeit ist leicht zu erkennen. Denn
woher will man als Nutzer wissen, ob es stimmt, dass die Freunde bereits
gewählt haben.
Doch genauso leicht lässt sich dieser Manipulation widerstehen, wenn man verstanden hat, wie sie funktioniert. Das Prinzip ist einfach. Durch die Präsentation der Information, wie viele Bekannte bereits eine bestimmte Handlung ausgeführt haben, die zivilgesellschaftlich oder staatsbürgerlich wünschenswert wäre, soll die adressierte Person ebenfalls zu dieser Handlung bewegt werden. Es wird nur der Konformitätsdruck auf die angesprochene Person erhöht. Das funktioniert besonders gut bei Personen, die ihr Entscheidungsverhalten an ihrem sozialen Umfeld ausrichten. Das entscheidende Kriterium ist dann weniger die zweckmäßige Gebotenheit, sondern die soziale Erwünschtheit. Damit Nudging funktionieren kann, muss also an das Konformitätsbedürfnis bzw. den Herdentrieb appelliert werden. Diese Einschränkung impliziert bereits, dass Nudging nicht bei jedem funktioniert. Die wichtigste Voraussetzung ist die Unentschlossenheit der betreffenden Person. Nur wer sich noch nicht entschieden hat Steuern zu zahlen oder auch nicht zu zahlen, kann überhaupt zur Entscheidung motiviert werden. Wer sich bereits entschieden hat, ist für eine derartige Manipulation auch nicht empfänglich.
Daraus ergibt sich die
Möglichkeit, wie man sich einer solchen Manipulation entziehen kann. Wer weiß,
was er will und was er nicht will, kann nicht durch Nugding beeinflusst werden.
Denn wenn man weiß, was man will, kann man solchen Beeinflussungsversuchen auch
ohne großes Zögern widerstehen. Nur wer unentschlossen ist und sich
bei seinen Entscheidungen an anderen orientiert, ist für solche
Beeinflussungsversuche empfänglich. Das gilt im weiteren Sinne für alle
Beeinflussungsversuche im Internet, auch wenn es nicht ums Anstupsen zu einer
Wahlentscheidung u. ä. geht, wie z. B. Werbung. Viele haben ja so viel Angst davor
durch Algorithmen mit ihren eigenen Wünschen geködert zu werden. Werbung ist
aber nichts weiter als ein Kommunikationsangebot, dass man annehmen oder
ablehnen kann. Wenn man weiß, was man will, fällt es auch genauso leicht einen Verbraucherhinweis als unnötig zu ignorieren. Was allerdings nicht heißen soll, dass man immer
widerstehen muss. Es kann ja durchaus passieren, dass Produkte beworben
werden, die man tatsächlich kaufen würde.
Der Eindruck, dass man manipuliert wird, entsteht häufig bei Kommunikationsformen auf die man nicht direkt antworten kann - also bei massenmedialer Kommunikation. Internetwerbung ist so ein Fall. Man kann und muss auf eine Werbung aber auch nicht direkt antworten. Ob man eine Werbung verstanden hat, zeigt sich erst an der Kasse. Wenn man nicht interessiert ist, reicht Nicht-Beachtung völlig aus. Man kann also nicht manipuliert werden, sondern man kann sich nur manipulieren lassen. Unentschlossenheit fördert diese Manipulierbarkeit. Es ist schon seltsam, warum ausgerechnet bei massenmedialer Kommunikation der Manipulationsverdacht entsteht, obwohl es so leicht ist ein Kommunikationsangebot abzulehnen. Konsequenzen muss man bei der Nicht-Beachtung eines Angebots eh nicht fürchten.
Der Eindruck, dass man manipuliert wird, entsteht häufig bei Kommunikationsformen auf die man nicht direkt antworten kann - also bei massenmedialer Kommunikation. Internetwerbung ist so ein Fall. Man kann und muss auf eine Werbung aber auch nicht direkt antworten. Ob man eine Werbung verstanden hat, zeigt sich erst an der Kasse. Wenn man nicht interessiert ist, reicht Nicht-Beachtung völlig aus. Man kann also nicht manipuliert werden, sondern man kann sich nur manipulieren lassen. Unentschlossenheit fördert diese Manipulierbarkeit. Es ist schon seltsam, warum ausgerechnet bei massenmedialer Kommunikation der Manipulationsverdacht entsteht, obwohl es so leicht ist ein Kommunikationsangebot abzulehnen. Konsequenzen muss man bei der Nicht-Beachtung eines Angebots eh nicht fürchten.
Ich selbst bilde mir ja ein, dass
ich ein ziemlich unattraktives Ziel für Werbeversuche bin. Wenn wirklich
irgendwelche Algorithmen mein Konsumverhalten analysieren würden, müssten die
eigentlich schon längst mitbekommen habe, dass ich relativ unempfänglich für
Werbung bin. Entsprechend müsste ich von Internetwerbung weitestgehend
verschont bleiben oder zumindest die Werbung bekommen, die mich interessieren würde. Das ist leider nicht der Fall. Nach wie vor brauche ich Adblocker, um mich vor der Werbeflut im Netz zu schützen. Das zeigt mir, dass es solche intelligenten Algorithmen
entweder noch nicht gibt oder noch längst nicht so intelligent sind, wie uns das im
Feuilleton gerne eingeredet werden soll. Wenn ich mir anschaue, wie penetrant man
heute mit Internetwerbung bombardiert wird, dann halte ich es für
wahrscheinlicher, dass für viele Leute Internetnutzung eher durch diese Werbeflut als durch die NSA-Überwachung unattraktiv wird.
Wer sich jetzt übrigens fragt,
wie man wissen kann, was man will, kann davon ausgehen, dass er ein sehr gutes
Opfer für Nugding ist. Das Wissen, was man will, steckt nicht einfach in einem,
sondern es handelt sich um einen Lernprozess. Die Frage, wie man wissen kann,
was man will, ist nur ein Totschlagargument, das einen davon abhält in diesen
Lernprozess einzutreten, und eine bequeme Rechtfertigung für die daraus
resultierende Unentschlossenheit.
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