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Mittwoch, 3. Februar 2016

Ironie der deutschen Geschichte



Eine kritisch-aggressive Haltung ohne reale Substanz eines Gegners schlägt fast automatisch in einen Herrschaftsanspruch um, der von der Illusion und der künstlichen Erzeugung der alten Gegnerschaft lebt.
Helmut Schelsky


Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst des Nationalsozialismus. Alle guten Mächte in Deutschland haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet.

Diesen Eindruck kann man zumindest bekommen, wenn man sich die Diskussion über die Flüchtlingskrise und die Vorfälle vor dem Kölner Dom in der Silvesternacht anschaut. Sie erinnert an eine Geisterjagd, denn es ging dabei nicht um Flüchtlinge, sondern um Deutschland. Demnach gilt es, ankommende Flüchtlinge vor dem »dunklen« Deutschland zu beschützen. Dieses »dunkle« Deutschland steht für Rassismus und Gewalttätigkeit. Das ist es auch, was heute im Wesentlichen mit dem Nationalsozialismus assoziiert wird. Ideologische Feinheiten spielen schon längst keine Rolle mehr. Alles, was auch nur im Ansatz rassistisch, nationalistisch, autoritär oder gewaltbereit erscheint, wird heute in Deutschland sofort in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt. Ob die Befürchtung berechtigt ist oder nicht, spielt keine Rolle. Was zählt, ist das Gefühl, dass es so sein könnte. Es herrscht ein gefühliger Generalverdacht.

Sonntag, 20. Dezember 2015

Der Islamische Staat - Organisation oder Bewegung?


Auf dem sozialwissenschaftlichen Portal Soziopolis und dem Sozialtheoristen-Blog fand vor einiger Zeit eine Diskussion über einen kurzen Text des Bielefelder Soziologen Stefan Kühl statt, in dem er die These aufstellt, dass der Islamische Staat durch »Verorganisierung« leichter bekämpfbar wird. Da ich im August diesen Jahres auf meinem Blog selbst einen Artikel über die Gemeinsamkeiten zwischen den Phänomenen Amok und Terror veröffentlicht habe, im Zuge dessen auch der Islamische Staat gestreift wurde, habe ich die Diskussion selbstverständlich verfolgt. Außerdem versuchte Kühl die Systemtheorie Niklas Luhmanns in Anschlag zu bringen, um den Islamischen Staat zu beobachten. Das versprach zunächst eine interessante Diskussion. Das Ergebnis fiel leider ziemlich ernüchternd aus. Daher möchte ich im Folgenden einige Anmerkungen machen, die zum einen den Zusammenhang von Organisation und sozialer Adresse und zum anderen das Phänomen Islamischer Staat betreffen. Bevor ich dazu komme, stelle ich Kühls These kurz vor. 

Sonntag, 3. Mai 2015

Naiver Konstruktivismus - oder wie Latour Bateson auf den Kopf stellt


Wie im vorletzten Beitrag angekündigt, gibt es hier einen weiteren überarbeiteten Text, den ich ursprünglich schon 2013 auf Facebook veröffentlicht habe. Er war eigentlich als Kommentar für einen Beitrag von Hubert Knoblauch auf dem SozBlog gedacht. Damals konnte ich ihn aber nicht posten. Inzwischen habe ich mitbekommen, dass ich nicht der einzige bin, der schon mal vor diesem Problem stand - was darauf hindeutet, dass es sich um technisches Problem des SozBlogs handelt.

Knoblauchs SozBlog-Beitrag hatte den Titel »Latours Popanz: Über Mißverständnisse des Sozialkonstruktivismus«. Knoblauch vertritt darin die These, dass die Diskussionen um den sogenannten »Sozialkonstruktivismus« bzw. die Kritik an diesem durch eine Reihe von Missverständnissen bezüglich dieses Sozialkonstruktivismus geprägt sind. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Kritik am Sozialkonstruktivismus ist Bruno Latour. Knoblauch konzentriert seine Kritik an der Sozialkonstruktivismuskritik in seinem Beitrag auf Latour. Knoblauchs Vorwurf lautet, dass Latour seinen eigenen konstruktivistischen Ansatz nur um den Preis einer extrem verzerrten Darstellung der kritisierten Ansätze als sozialwissenschaftliche Innovation darstellen kann. Latour konstruiert lediglich Scheingegensätze zwischen seinem Ansatz und dem klassischen Sozialkonstruktivismus. Dieser Kritik kann ich mich aufgrund meiner eigenen Lektüre von Latours »Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft« (2010 [2005]) nur anschließen. Knoblauch versucht im weiteren Verlauf seines Beitrags der Frage nach zu gehen, wie es zu diesen gravierenden Missverständnissen bezüglich des Sozialkonstruktivismus kommen konnte. 

Mit »Sozialkonstruktivismus« ist dabei eine Theorielinie gemeint, die sich im Anschluss an Peter L. Bergers und Thomas Luckmanns »Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit« (2012 [1966]) gebildet hat. Knoblauch beklagt die geringe internationale Rezeption dieses soziologischen Klassikers und benennt selber einige Gründe, woran das liegen könnte. Diese treffen zu einem gewissen Grad sicherlich zu. Ich gebe aber zu bedenken, dass im englischsprachigen Raum noch wesentlich elaboriertere Ansätze verbreitet sind, die mehr an Kommunikationstheorie, Systemtheorie und Kybernetik anknüpfen. Aus diesem Umstand lässt sich möglicherweise besser verstehen, warum Latour den Sozialkonstruktivismus Berger/Luckmannscher Prägung unbeachtet lässt. 

Samstag, 18. Januar 2014

Liebe ist, wenn man miteinander redet, obwohl man schweigen könnte*



Niklas Luhmann beschreibt die Problemstellung, an der sich Liebe als autonome Kommunikationsform auskatalysiert, als »Alter erlebt und Ego handelt« (vgl. 1982, S. 26f., FN 9). Das bedeutet, eine beobachtete Person (Alter) teilt etwas über ihr Erleben mit und diese Information wird von der beobachtenden Person (Ego) dazu genutzt ihr Handeln daran auszurichten. Das kann, muss aber nicht, in derselben Situation geschehen. Daran entzündete sich bei mir vor Kurzem folgender Gedankengang: