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Samstag, 21. Mai 2016

Negativsprache oder Formkalkül?


Negationen haben bis heute etwas Rätselhaftes an sich. Durch eine Negation wird Etwas in Nichts verwandelt: aus »p« wird »~p«. Aber was bedeutet dieses »nicht-p«? Offenbar soll damit auf etwas anderes verwiesen werden als auf »p«. Aber was genau? Unter »~p« kann man sich nichts vorstellen. Negative Formulierungen lassen sich generell nicht visualisieren. Bei Negationen versagt die Vorstellungskraft. Im Versuch es trotzdem zu tun, wird man zudem mit einer Paradoxie konfrontiert. Gerade wenn man versucht »p« zu negieren, wird man von »p« verfolgt, denn auch mit der Formulierung, die durch eine Negation erzeugt wird, muss man sich auf »p« beziehen. So stellt sich die Frage, was dem Negierten durch die Negation hinzugefügt wird? Schon Ludwig Wittgenstein notierte dazu: 

»Daß aber die Zeichen ›p‹ und ›~p‹ das gleiche sagen können, ist wichtig. Denn es zeigt, dass dem Zeichen ›~‹ in der Wirklichkeit nichts entspricht.« (2003 [1918], S. 36; Hervorhebung im Original)

In meinem Text »Die Regeln der Form« (Walkow 2016) habe ich mich ausführlich mit dem Umgang mit Negationen und Negativität auseinandergesetzt. Es war zugleich eine Auseinandersetzung mit den Schriften zweier Autoren, die sich ebenfalls mit diesem Thema beschäftigt haben. Das waren zum einen George Spencer-Brown und zum anderen Gotthard Günther. Beide haben ebenfalls nach Lösungen für den Umgang mit Nichts gesucht. Spencer-Brown stellte in seinem Buch »Gesetze der Form« (1999 [1969]) einen Formkalkül vor, mit dem es möglich ist, jeden Ausdruck darauf hin zu untersuchen, welche Informationen mitgeteilt werden. Gotthard Günther entwickelte die Idee einer Negativsprache (vgl. 2000 [1979]). Sie blieb allerdings nur eine Idee. Günther ist es nicht gelungen eine Sprache zu entwickeln, mit der es möglich ist die Rolle der zweiten Negation, die G. W. F. Hegel als Akkretion bezeichnete, bei der Evolution von Sprache und Sinn zu beschreiben.

Schon in »Die Regeln der Form« habe ich mich gegen die Negativsprache ausgesprochen. Der Text hatte zum Ziel eine eigene Theorie über Negativität zu entwerfen. Es war kein expliziter Vergleich des Formkalküls mit der Negativsprache. Das möchte ich an dieser Stelle in aller Kürze nachholen. Ich werde mich nur auf den aus meiner Sicht wesentlichen Gesichtspunkt konzentrieren: die Unterscheidung von einfacher Negation und akkretiver Negation. Im Zuge dessen wird auch noch einmal der Leitgedanke von »Die Regeln der Form« deutlich.

Freitag, 24. Juli 2015

Hat sich die Soziologie in einem double bind verfangen? - Zum Dritten


Am 10.10.2014 habe ich beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Rahmen der Ad-Hoc-Gruppe „Krisen der Kommunikation. Wo bleibt der soziologische Diskurs?” einen Vortrag mit dem Titel „Hat sich die Soziologie in einem double bind verfangen?“ gehalten. Die Ad-Hoc-Gruppe wurde von den Machern des Soziologiemagazins veranstaltet. Die komplette Veranstaltung wurde damals auf Video mitgeschnitten. Nun wurden die Videos auf youtube veröffentlicht. Hier ist der Mitschnitt zu meinem Vortrag:

Sonntag, 19. Oktober 2014

Hat sich die Soziologie in einem double bind verfangen? - Der Vortrag


Am 10.10.2014 haben ich beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in der Ad-Hoc-Gruppe "Krise der Kommunikation: Wo bleibt der soziologische Diskurs?" einen Vortrag mit dem Titel "Hat sich die Soziologie in einem double bind verfangen?" gehalten. Der folgende Text ist das Vortragsmanuskript. Der Mitschnitt des Vortrags kann hier angesehen werden.


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Herzlich Willkommen zu meinem Vortrag „Hat sich die Soziologie in einem double bind verfangen?“. Der Titel ist als Fragestellung formuliert. Aber die Eine oder der Andere wird es schon geahnt haben. Die Frage ist rhetorisch gemeint. Es ist tatsächlich die These dieses Vortrags, dass sich die Soziologie in einem double bind verfangen hat. Sie bezieht sich auf die weitverbreitete Selbstbeschreibung der Soziologie, wonach sie die Gesellschaft zu analysieren und zu verändern beansprucht. Ich werde im Folgenden versuchen zu zeigen, dass diese beiden Ansprüche unter der gesellschaftsstrukturellen Bedingung funktionaler Differenzierung nicht miteinander vereinbar sind und dass darin einer der wichtigsten Gründe für das schlechte Image und den aktuellen Relevanzverlust der Soziologie zu sehen ist.

Donnerstag, 3. Juli 2014

Eugene Goostman – systemtheoretisch beobachtet



Das Ereignis

Am 07. Juni 2014 erregte die Meldung Aufmerksamkeit, dass es einem Computerprogramm gelungen sei den Turing-Test zu bestehen. Der Turing-Test wurde von dem britischen Mathematiker Alan Turing entworfen, um festzustellen, ob das getestete Programm eine dem Menschen vergleichbare Intelligenz hat. Besteht eine Maschine oder ein Computerprogramm den Turing-Test, wäre, so die Theorie, der Beweis erbracht, dass es gelungen ist eine künstliche Intelligenz zu entwickeln. Dass diese Meldung überhaupt massenmediale Resonanz fand, lag wohl an dieser Implikation des Turing-Tests, welche das Ereignis als bahnbrechend erscheinen lässt. Da ich hier nur knapp einen Monat vorher einen Beitrag veröffentlicht hatte, in dem ich die Entwicklung einer künstlichen Intelligenz im Sinne eines künstlichen Bewusstseins als mehr oder weniger unmöglich beschrieben hatte, soll an dieser Stelle betrachtet werden, wie sich dieses Ereignis im damals eröffneten theoretischen Kontext darstellt.

Sonntag, 4. Mai 2014

Künstliche Intelligenz aus soziologischer Sicht



Im Schatten der Zukunft 

Dieser Beitrag wird sich nicht, wie die früheren Beiträge, mit einer bestimmten Form interpersoneller Wahrnehmung beschäftigen. Trotzdem steht das Thema dieses Beitrags in einer unmittelbaren Beziehung zu den Formen interpersoneller Wahrnehmung. Sollte das, worum es in diesem Beitrag geht, jemals realisiert werden, wird diese technische Innovation auch nachhaltige Auswirkungen auf die Formen interpersoneller Wahrnehmung haben. Die Rede ist von Künstlicher Intelligenz. Um sich klar zumachen, um was für einen großen Schritt es sich handelt, wenn eine derartige technische Leistung realisiert werden würde, möchte ich auch von der Erschaffung von Leben auf einer anorganischen Basis ohne einen eigenen Reproduktionszyklus sprechen. Warum ich von Leben spreche, wird im weiteren Verlauf des Textes deutlicher werden.