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Mittwoch, 3. Februar 2016

Ironie der deutschen Geschichte



Eine kritisch-aggressive Haltung ohne reale Substanz eines Gegners schlägt fast automatisch in einen Herrschaftsanspruch um, der von der Illusion und der künstlichen Erzeugung der alten Gegnerschaft lebt.
Helmut Schelsky


Ein Gespenst geht um in Deutschland – das Gespenst des Nationalsozialismus. Alle guten Mächte in Deutschland haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet.

Diesen Eindruck kann man zumindest bekommen, wenn man sich die Diskussion über die Flüchtlingskrise und die Vorfälle vor dem Kölner Dom in der Silvesternacht anschaut. Sie erinnert an eine Geisterjagd, denn es ging dabei nicht um Flüchtlinge, sondern um Deutschland. Demnach gilt es, ankommende Flüchtlinge vor dem »dunklen« Deutschland zu beschützen. Dieses »dunkle« Deutschland steht für Rassismus und Gewalttätigkeit. Das ist es auch, was heute im Wesentlichen mit dem Nationalsozialismus assoziiert wird. Ideologische Feinheiten spielen schon längst keine Rolle mehr. Alles, was auch nur im Ansatz rassistisch, nationalistisch, autoritär oder gewaltbereit erscheint, wird heute in Deutschland sofort in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt. Ob die Befürchtung berechtigt ist oder nicht, spielt keine Rolle. Was zählt, ist das Gefühl, dass es so sein könnte. Es herrscht ein gefühliger Generalverdacht.

Donnerstag, 12. November 2015

Ist die Flüchtlingskrise ein Ausnahmezustand?


Der aktuelle Ansturm von Flüchtlingen auf Deutschland ist ohne Zweifel historisch beispiellos. Vergleiche mit früheren Völkerwanderungen tragen schon deswegen nicht, weil es damals noch keine modernen Nationalstaaten mit festen Staatsgebieten und den dazugehörigen Grenzen gab. Die aktuelle Situation stellt für alle Betroffenen einen Notstand dar. Häufig wurde auch von einem Ausnahmezustand gesprochen. Mit dem Begriff des Ausnahmezustands ist bis heue ein Name untrennbar verbunden: Carl Schmitt. Schmitt war ein Verfassungsrechtler, der in der Zeit von 1933 bis 1945 eine zweifelhafte Karriere im nationalsozialistischen Deutschland gemacht hat. Trotzdem besitzen viele seiner Überlegungen zu Politik und Staat auch heute noch eine gewisse Relevanz. Selbst einige linke Theoretiker greifen Schmitts Überlegungen auf. Sofern von einem Ausnahmezustand die Rede ist, kann man inzwischen darauf warten, dass sein Name fällt [1]. Ich nutze daher die Gelegenheit und prüfe im Folgenden, ob es sich bei der Flüchtlingskrise um einen Ausnahmezustand im Schmitt’schen Sinne handelt.


Sonntag, 1. Februar 2015

Wissen, Massenmedien und partizipierendes Bewusstsein


„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir  durch die Massenmedien.“ 


Dieser berühmte Satz von Niklas Luhmann stammt aus seinem Buch "Die Realität der Massenmedien" (2004 [1995], S. 9) und sollte vermutlich die zentrale Rolle der Massenmedien in der modernen Gesellschaft betonen. Er suggeriert, dass die Massenmedien heute die einzige Informationsquelle sind, mit deren Hilfe man sich über die Welt informieren kann. Dieses Zitat vermittelt allerdings in zweierlei Hinsicht ein verzerrtes Bild über die Funktion der Massenmedien in der modernen Gesellschaft. Zum einen wird die Funktion der Massenmedien maßlos übertrieben. Denn man erlangt nicht sein vollständiges Wissen über die Welt aus den Massenmedien. Sicherlich werden einem über die Massenmedien Informationen aus Bereichen zugänglich gemacht, die einen über persönliche Kontakte kaum erreichen würden. Anderseits liefern die Massenmedien keine Informationen über den persönlichen Nahbereich, in dem man Beteiligungs- und Gestaltungsmöglichkeiten hat. Das gilt für das Privatleben ebenso wie für das Berufsleben. Über die Personen mit denen man täglichen Umgang hat, erfährt man – außer man hat selbst einen Beruf im Showbusiness – nichts aus den Massenmedien. Informationen über sie erhält man vorwiegend durch die Interaktion mit ihnen. Diese Überlegung führt zum zweiten Aspekt des verzerrten Bildes, das dieses Zitat suggeriert. Das Zitat ist nicht nur eine Aussage über die Funktion der Massenmedien in der modernen Gesellschaft, sondern zugleich auch eine Aussage darüber, wie Wissen heute produziert und verteilt wird. Ich möchte im Folgenden zunächst auf die wissenssoziologische Hintergrundannahme dieses Zitats eingehen. Diese Annahme korrespondiert mit einer von zwei existentiellen Grundhaltungen, mit denen Menschen ihrer Umwelt entgegentreten können. Im zweiten Schritt werden diese beiden Grundhaltungen, die als partizipierendes und nicht-partizipierendes Bewusstsein bezeichnet werden, skizziert. Bestimmte Erfahrungen zusammen mit dem Fehlen anderer Erfahrungen können die Bildung einer der beiden Grundhaltungen begünstigen. Auf der Grundlage dieser Überlegungen wird in einem dritten Schritt ein erneuter Blick auf die gesellschaftliche Funktion der Massenmedien geworfen.

Donnerstag, 5. Juni 2014

Über Protest, Moral und demokratische Kultur



Im Folgenden möchte ich auf ein Problem öffentlicher Diskussionen eingehen, dass sich vor allem in demokratisch verfassten politischen Systemen stellt. Öffentlichkeit ist, wie immer wieder betont wird, ein konstitutiver Bestandteil von demokratisch verfassten politischen Systemen. Inzwischen spricht man auch häufig von Transparenz. Öffentlichkeit und Transparenz werden heute gerne als Werte an sich verkauft. Unklar bleibt aber zumeist in welcher Beziehung Öffentlichkeit und Demokratie eigentlich zueinander stehen. Zuletzt zeigte sich dies in der Diskussion um die NSA-Überwachung. Die Überwachung wurde als Gefährdung der Demokratie betrachtet. Dabei parasitiert die NSA nur an einem technischen Verbreitungsmedium, dass es überhaupt erst ermöglicht eine globale Öffentlichkeit herzustellen. So fragte man sich bei vielen NSA-kritischen Beiträgen, denen als Lösung nicht viel mehr einfiel als das Internet selbst zu verteufeln, was die Aufregung eigentlich soll? Öffentlichkeit stellt Beobachtbarkeit von Themen und Personen her und der Beobachter weiß wer wofür steht. Man könnte also vermuten, dass das Internet in dieser Hinsicht die größte technische Errungenschaft zur Demokratisierung der Weltgesellschaft seit dem Buchdruck ist. Nicht ohne Grund wollen Machthaber in Diktaturen oder gelenkten Demokratien Plattformen wie youtube, Twitter oder Facebook verbieten. Sie gefährden den mühsam gepflegten Anschein der Alternativlosigkeit bzw. der Zwangsläufigkeit des eigenen politischen Programms. Das Internet als technisches Verbreitungsmedium erzeugt dagegen Kontingenz und fördert dadurch den für Demokratien notwendigen Wettkampf der Ideen. Dieser öffentlich inszenierte Wettkampf der Ideen ersetzt den gewaltsamen Kampf mit Waffen und ermöglicht so einen gewaltlosen Wechsel der Regierung. Autokraten sind jedoch in der Illusion der eigenen Alternativlosigkeit gefangen, in der ein Wechsel der Regierung nicht vorgesehen ist. Entsprechend bedrohlich muss daher ein Verbreitungsmedium, wie das Internet wirken. Es stellt den unkontrollierten Informationsumschlag [1] sicher und es können Alternativen entdeckt werden, die Autokraten konsequenterweise als Bedrohung ihrer Machtposition wahrnehmen müssen.

Samstag, 11. Januar 2014

Für eine Ökologie des Geistes!

Hiermit möchte ich, der Beobachter der Moderne, einen neuen Blog vorstellen. Ich habe beschlossen einige meiner Facebook-Aktivitäten auf einen separaten Blog auszulagern. Wer mich auf Facebook geliked hat, wird schon seit längerem bemerkt haben, dass ich dort immer wieder etwas längere Beiträge gepostet hatte, die eigentlich in ein Blog-Format gehören. Die Beiträge waren weniger theoretisch und distanziert wie mein Hauptblog, sondern impressionistisch und subjektiv. D. h. sie waren engagierter und provokativer als der Hauptblog, da ich Themen angesprochen habe, die mich aktuell bewegen. Dieser Stil soll nun an dieser Stelle fortgesetzt werden. Desweiteren sollen auch gewisse im Hauptblog vorgestellte oder noch vorzustellenden Theoriefiguren griffiger erläutert werden. Gelegentlich werde ich auch versuchen mit anderen Theorien als nur der Systemtheorie Luhmann'scher Prägung zu beobachten. Insgesamt haben die Beiträge einen experimentellen und vorläufigen Charakter. Es werden Ideen und Argumente angetestet. Dieser Blog soll damit eine Art flankierendes Versuchslabor zu meinem Hauptblog sein.