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Sonntag, 22. Januar 2017

Tipps für einen gelingenden Diskurs



Im Jahr 2016 wurde das postfaktische Zeitalter ausgerufen. Da »postfaktisch« in politischen Debatten vor allem als Kampfbegriff dient, ist es sehr zweifelhaft, ob damit eine treffende Gegenwartsdiagnose gestellt wurde. An der Beobachtung, dass sich viele Menschen heute stärker auf ihre Gefühle verlassen als auf die Fakten, offenbart sich die Aufklärung möglicherweise selbst als Mythos. Das betrifft zumindest die Vorstellungen von Aufklärung, Vernunft und Wahrheit, die unter Politikern, Intellektuellen und vielen Journalisten geteilt werden. Maßen sie sich doch an, die Aufgabe der Wissenschaft und der Öffentlichkeit an sich zu reißen und die offizielle Sicht der Regierung als einzig gültige Wahrheit auszugeben. Wie man allerdings auf die Idee kommen kann, dass ausgerechnet in der Kommunikation zwischen Politikern und Bürgern die reine Vernunft herrschen würde, bleibt nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts schleierhaft. Man darf dies wohl eher als Hinweis lesen, wie mangelhaft einige Politiker über politische Prozesse aufgeklärt sind. Politische Kommunikation hat nicht Wahrheitsfindung zum Ziel, sondern die Herstellung kollektiv bindender Entscheidungen. Verlässliche Informationen sind dafür selbstverständlich äußerst wünschenswert. Notwendig sind sie jedoch nicht. Das hat die Geschichte oft genug gezeigt.

Doch trotz aller politischen Verzerrungen, wird mit dem Begriff »postfaktisch« auf ein ernstzunehmendes Problem aufmerksam gemacht. Ob sich viele Menschen tatsächlich zunehmend mehr auf ihre Gefühle verlassen, sei einmal dahin gestellt. Trotzdem kann man nicht ignorieren, dass man es in den gegenwärtigen politischen Debatten zum Teil mit Personen zu tun hat, die sich nicht mehr durch Argumente überzeugen lassen. Unter dieser Voraussetzung ist es nur noch schwer möglich einen Diskurs zu führen und zu kollektiv bindenden Entscheidungen zu kommen. Umso dringlicher wird die Frage, wie sich heute noch ein Diskurs führen lässt?

Mittwoch, 14. Dezember 2016

Postfaktisch. Über ein Unwort


Wer hätte das gedacht?! »Postfaktisch« ist von der Gesellschaft für Deutsche Sprache zum Wort des Jahres 2016 gekürt worden. Schon aufgrund der inflationären Verwendung dieses Wortes in den Medien wäre der Titel »Unwort des Jahres« passender gewesen. Dies gilt noch mehr, wenn man sich anschaut, wie das Wort gebraucht wird. Von postfaktisch wird gesprochen, wenn Menschen mehr auf ihre Gefühle vertrauen als auf Fakten. Dies sei vor allem in politischen Debatten ein zunehmendes Problem geworden. Einige Beobachter, unter anderem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, sehen darin einen tiefgreifenden Wandel. Diesem Wandel wollte auch die Gesellschaft für Deutsche Sprache durch die Wahl zum Wort des Jahres Rechnung tragen.

Das Wort »postfaktisch« wurde vom englischen Wort »post-truth« entlehnt. Man könnte das für eine sehr freie Übersetzung, um nicht zu sagen Gleichsetzung, von Wahrheit (truth) mit Fakten halten. Das Präfix »post-« bedeutet so viel wie »nach-«. Mit diesem einen Wort werden also zwei Unterschiede auf einmal markiert. Zum einen wird zwischen Wahrheit und Gefühlen unterschieden, zum anderen zwischen früher und heute. Lässt man sich »postfaktisch« auf der Zunge zergehen, dann soll damit behauptet werden, dass wir oder zumindest ein Großteil der Menschen heute gleichsam »nach der Wahrheit« oder »in der Unwahrheit« leben würden. Statt von Fakten würden sich die Menschen heute von Gefühlen leiten lassen. Dieser Umstand wird zudem negativ bewertet. Denn wer sich von Gefühlen leiten lässt, handelt unvernünftig. Wer unvernünftig handelt, weicht von der Norm ab und gefährdet das soziale Miteinander. Das gilt insbesondere für Politik. Unausgesprochen ist also noch ein dritter, moralischer Unterschied mit im Spiel, der sich in Verbindung mit dem zeitlichen Unterschied als Sehnsucht nach der guten alten Zeit verstehen lässt, als die Menschen ihr Handeln noch von Fakten leiten ließen. So einfach ist es heute offensichtlich nicht mehr.

Donnerstag, 20. November 2014

Soziologen als Mythenjäger


»Wenn man verstehen will, worum es in der Soziologie geht, dann muß man in der Lage sein, in Gedanken sich selbst gegenüberzutreten und seiner selbst als eines Menschen unter anderen gewahr zu werden. Denn die Soziologie beschäftigt sich mit den Problemen der „Gesellschaft“, und zur Gesellschaft gehört auch jeder, der über die Gesellschaft nachdenkt und sie erforscht.« 
Norbert Elias*


Die Fähigkeit, über die Soziologen nach Elias verfügen sollten, ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Sich selbst als jemand anderes gegenüber zu treten, bedeutet die Voraussetzung zu schaffen, um gewahr zu werden, welchen Eindruck das eigene Verhalten auf andere Menschen macht. Leider ist diese Fähigkeit unter Soziologen, speziell denen, die sich einer Kritischen Soziologie – egal welcher Schule – zurechnen, nicht sehr weit verbreitet. Kritische Theorien bilden zumeist eine gefährliche Kombination von Modellen, die Elias mythisch-magisch und naturwissenschaftlich bezeichnet (vgl. 2014 [1970], S. 16f.). Das mythisch-magische Modell zeichnet sich durch eine naiv-egozentrische Beobachtungsweise aus, das naturwissenschaftlich-mechanistische Modell durch die Beobachtung von Kausalbeziehungen. Beiden Beobachtungsformen ist eine zu starke Reduktion von sozialen, biologischen, chemischen oder physikalischen Sachverhalten auf unidirektionale Wirkungszusammenhänge gemein - im sozialen Bereich durch Reduktion auf Subjekt-Objekt-Beziehungen, in der Natur durch mechanische Ursache-Wirkungsbeziehungen.

Dienstag, 18. Februar 2014

Über die biologistische Begründung der Homophobie



Ich habe vor kurzem Matthias Matusseks Bekenntnis zur Homophobie gelesen. Als ob es nicht schon genug wäre, dass sich bestimmte Personen inzwischen öffentlich zu ihren dümmlichen Ressentiments und ihrer Ignoranz gegenüber Homosexuellen bekennen als wäre es das Normalste auf der Welt. Richtig bedenklich wird es erst bei der Begründung. Matusseks naturrechtliches Argument, ganz auf katholischer Linie, lautet, dass aus einer homosexuellen Beziehung keine Kinder entstehen können und deswegen müsse homosexuelle Liebe minderwertig sein. Bedenklich ist daran das biologistische Verständnis von Liebe, wonach eben nur aus heterosexuellen Beziehungen Kinder hervorgehen können. Sicherlich kann man nicht bestreiten, dass es biologisch unmöglich ist durch homosexuellen Geschlechtsverkehr Kinder zu zeugen. Trotzdem bleibt die daraus abgeleitete Minderwertigkeit äußert fragwürdig.