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Freitag, 24. Juli 2015

Hat sich die Soziologie in einem double bind verfangen? - Zum Dritten


Am 10.10.2014 habe ich beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie im Rahmen der Ad-Hoc-Gruppe „Krisen der Kommunikation. Wo bleibt der soziologische Diskurs?” einen Vortrag mit dem Titel „Hat sich die Soziologie in einem double bind verfangen?“ gehalten. Die Ad-Hoc-Gruppe wurde von den Machern des Soziologiemagazins veranstaltet. Die komplette Veranstaltung wurde damals auf Video mitgeschnitten. Nun wurden die Videos auf youtube veröffentlicht. Hier ist der Mitschnitt zu meinem Vortrag:

Sonntag, 31. Mai 2015

Über Sthenographie. Zum Problem von Problembegriffen


Über Sthenographie habe ich, verteilt über meine bisherigen Texte, schon einige Bemerkungen gemacht [1]. Mit »Sthenographie« ist eine problemfokussierte Betrachtungsweise gemeint. Probleme werden heute sprachlich zumeist in die Form einer Paradoxie gebracht. Sthenographie zeichnet sich dadurch aus, dass die konstruierte Paradoxie nicht entfaltet wird, sondern nur offen zur Betrachtung dargeboten wird. Paradoxien sind jedoch logische Anomalien. Sie verwirren den Geist, weil sie Widersprüchliches behaupten. Es kann ja nicht sein, dass Gegenteiliges zugleich gilt. Dies macht die Präsentation einer Paradoxien zu einer Darstellungsmethoden, die beim geneigten Publikum eine Menge Schaden anrichten kann. 

Bisher habe ich mich bei der Rede von Sthenographie in meinen Texten vorwiegend auf sozialwissenschaftliche Problembeschreibungen konzentriert, deren Zweck es ist bei den Adressaten einen politischen Handlungsdruck zu erzeugen. Häufig werden die Probleme dann in einer Art säkularisierten Theodizee-Frage formuliert. Statt »Wie kann Gott dieses ganze Leid auf der Welt zulassen?« heißt es nun »Wie kann die Gesellschaft dieses ganze Leid auf der Welt zulassen?«. Doch anstatt dann Lösungen für die kritisierten Probleme vorzustellen, belässt man es beim Offenlegen der Paradoxie. Die Gesellschaft ist schuld. So einfach ist das. Einige werden sich von solchen Argumentationsfiguren sicherlich angesprochen fühlen und denken, wenn so viele Menschen auf der Welt leiden, wie kann es mir selbst dann gut gehen? Da man im Alltagsverständnis ja selbst irgendwie Teil der Gesellschaft ist, wird man ratlos und mit einer Menge Schuldgefühlen allein gelassen. Und bevor es den anderen Menschen nicht gut geht, kann bzw. darf es einem selbst auch nicht gut gehen. 

Für die seelische Gesundheit sind solche Denkfiguren sicherlich nicht förderlich. Aber was kann man in solch einer Situation tun? Da man selbst nichts tun kann, muss die Politik ran. In ihrer Macht liegt es die Gesellschaft zu kontrollieren - so glaubt man zumindest. Und Politiker haben ja heute immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte ihrer Bürger. Man kann sogar unerfüllbare Forderungen an sie herantragen. Da die Politiker um jede Stimme kämpfen müssen, sind die meisten heute zu schwach auch mal klar zu sagen, was nicht in ihrer Macht liegt. Dann lässt es sich umso besser unerfüllbare Forderungen stellen. Das entlastet zum einen. Zum anderen können sich die besorgten Bürger dann wieder an dem süßlichen Gift der Paradoxie berauschen und ihren Sorgen neue Nahrung geben. Im schaurig-schönen Hochgefühl der Angstgemeinschaftlichkeit lässt es sich dann wieder umso besser neue unerfüllbare Forderungen aufstellen. 

Der Teufelskreis ist geschlossen. Mit der Lösung der unlösbaren Probleme dürfen sich dann die Politiker rumschlagen. Und wenn sie es nicht schaffen, kann man sie wunderbar der Lüge bezichtigen. Der postmoderne Erstarrungstanz um das goldene Kalb der Paradoxie hat begonnen. Bei diesem Spiel ohne Gewinner handelt es sich nur um die populärste Form der Sthenographie. In diesem Beitrag soll es um Sthenographie in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen gehen.

Sonntag, 29. März 2015

Wie viele Soziologen sind nötig um eine Glühbirne auszuwechseln?


a) ...keinen. Die Glühbirne ist der Repräsentant eines repressiven und ausbeuterischen Systems. Es wird sich deswegen kein Soziologe finden, der dieses System durch Affirmation unterstützt - was in diesem Fall bedeuten würde die Glühbirne auszuwechseln. Die Arbeit bleibt also wie immer am einfachen Arbeiter von der Straße hängen.

Samstag, 8. November 2014

Dass es soziale Systeme gibt, muss sich zeigen


"6.36 Wenn es ein Kausalitätsgesetz gäbe, so könnte es lauten: »Es gibt Naturgesetze«.                              
Aber freilich kann man das nicht sagen: es zeigt sich." Ludwig Wittgenstein

Dass man einen Satz wie »Es gibt Naturgesetze« nicht sagen kann, meint nur, dass dieser Satz nicht sinnvoll ist. Trotzdem kann er gesagt werden. Er besagt in dieser Form bloß nichts. Die Aufmerksamkeit wird durch diesen Satz auf die schlichte Feststellung gelenkt, dass es Naturgesetze gibt: es gibt Naturgesetze, Naturgesetze gibt es. Weder wird angegeben, was Naturgesetze sind noch wie man nachvollziehbar erkennen kann, dass es sie gibt. Diesen Satz kann man nur bedingungslos akzeptieren oder ablehnen. Bei diesem Satz handelt es sich um eine Tautologie. Eine Tautologie ist eine besondere Form der Paradoxie, denn es ist ein Satz der keinen Unterschied markiert. Es fehlt der Kontext bzw. der Rahmen vor dem dieser Satz einen Sinn macht. Also muss diese Paradoxie entfaltet werden. D. h. es müssen Unterschiede in Form einer Sprache eingeführt werden, die zeigen, dass es Naturgesetze gibt. Der Satz »Es gibt Naturgesetze« würde dann den Kontext für die Entwicklung dieser Sprache bilden.

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Impressionen und Gedanken zum Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2014


Vom 06.10. bis 10.10.2014 fand in Trier der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie statt. Ich hatte das Vergnügen bei der vom Soziologiemagazin organisierten Ad-Hoc-Gruppe „Krise der Kommunikation: Wo bleibt der soziologische Diskurs?“ einen Vortrag zu halten. Im Folgenden möchte ich einige meiner Eindrücke schildern, die ich während der Zeit sammeln konnte. Zwei Bemerkungen dazu vorweg. Zum einen, ich habe zwar Soziologie studiert, verdiene mein Geld aber heute außerhalb der Wissenschaft. Nichts desto trotz habe ich mir einen soziologischen Blick bewahrt und versuche diesen mit meinen beiden Blogs zu kultivieren. Trotzdem hatte ich die Befürchtung, dass ich aufgrund meiner weiteren beruflichen Sozialisation schwer für die Habitus- oder Verhaltensformen der professionellen Soziologen anschlussfähig sein werde. So hatte ich, um dem Abenteuer DGS-Kongress ein persönliches Motto zu geben, bereits auf der siebenstündigen Anfahrt nach Trier angefangen Robert A. Heinleins Roman „Ein Mann in einer fremden Welt“ (Engl. Originaltitel „Stranger in a strange land“) zu lesen. Diese Befürchtung hat sich zum Teil erfüllt, zum Teil aber auch nicht. Dazu im Folgenden mehr. Zum andere bot der DGS-Kongress eine große Anzahl an Veranstaltungen und man musste sich sehr gut überlegen, welche man besuchen möchte. Leider wurde man dabei häufig vor die Wahl gestellt zwischen verschiedenen Veranstaltungen zu wählen, die man alle gerne besucht hätte. So ist einer der wenigen Wermutstropfen des Kongresses, die kaum zu vermeidende Enttäuschung einige vielversprechende Veranstaltungen verpasst zu haben, die man auch gerne besucht hätte. Ich vermute, so wird es den meisten Teilnehmern ergangen sein. An diesem Problem konnte jeder das Komplexitätsproblem, was einen ja immer vor eine Entscheidung stellt, selbst erfahren. Zugleich kann man sich als Einzelner so gut wie kein allgemeines Urteil über den Kongress erlauben, weil man nur einen Bruchteil davon miterleben konnte. Deswegen werde ich aus meiner persönlichen Sicht einige Eindrücke und Gedanken schildern, die mich während des Kongresses bewegt haben. Hier spielen zum einen meine eigenen thematischen Interessen und die sich daran anschließende Auswahl der Veranstaltungen eine Rolle als auch einige Phänomene, die vielleicht nicht nur mir während der Zeit aufgefallen sind. Den soziologischen Blick konnte ich während des Kongresses natürlich nicht abstellen. 

Sonntag, 30. März 2014

Eine Anmerkung zum systemtheoretischen Funktionalismus



„Will man alles erkennen, wird man allerdings kaum etwas sehen können. Schließlich impliziert jede Beobachtung den Verzicht auf Ganzheitlichkeit. Beobachten heißt unterscheiden, um dann das Unterschiedene zu bezeichnen. Ein Beobachter, der keine Unterscheidungen trifft, wird nichts erkennen können. Eine nur undeutlich formulierte Systemtheorie wird daher kaum praktikabel sein.“

Roland Schleiffer in: Das System der Abweichungen. Eine systemtheoretische Neubegründung der Psychopathologie. Carl-Auer-Systeme Verlag Heidelberg. S, 16

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Schönes Zitat. Schleiffer hat diese Passage zwar im Hinblick auf seinen eigenen theoretischen Anspruch formuliert. Sie trifft aber auch mit Blick auf aktuell schon nicht mehr unter dem Label »Systemtheorie« firmierende Ansätze genau deren Problem. Durch die Form der Theoriebildung, die im Wesentlichen im Generalisieren liegt, bleibt das Ganze auf die eine oder andere Weise trotzdem der Bezugspunkt. Dieser Arbeitsschritt ist unverzichtbar, aber nur die Hälfte der Arbeit. Generalisierung bedeutet, durch die Suche nach der Einheit einer Unterscheidung einen Vergleichshorizont zu konstruieren. Dadurch werden verschiedene Phänomen vergleichbar. Durch die Konzentration auf die Einheit bleiben die Unterschiede zwischen den zu vergleichenden Phänomenen unbeachtet. An diesem Punkt angekommen, müssen nun in Abhängigkeit vom verwendeten Theorieapparat eigene Unterscheidungen getroffen werden, denn die Arbeit kann ja nicht bereits beendet sein, wenn man die Unterschiede weg theoretisiert hat. Ab diesen Punkt erweist sich erst die Fruchtbarkeit einer Theorie. Sie muss eine eigene Perspektive auf die interessierenden Phänomene entwickeln und sie mit eigenen Unterscheidungen rekonstruieren. Leider hält man die Arbeit heute häufig bereits nach der Dekonstruktion der konventionell verwendeten Unterscheidungen für beendet. Entsprechend undeutlich bleiben dann die Beobachtungsergebnisse. Um dieses Problem zu kaschieren, drückt man sich dann häufig in Paradoxien aus.